Dienstag, 5. November 2013

Freundschaft! Freundschaft?

Ich bin sauer. Stinksauer. Nicht, weil etwas schiefgelaufen ist, nicht weil etwas nicht klappt. Nein.

Weil ich Ungerechtigkeiten hasse. Weil ich es hasse, mich ausgeliefert zu fühlen, grundlos, schuldlos. Weil ich nicht agieren, sondern reagieren muss. Weil ich mich mit lächerlichen Kinkerlitzchen befassen muss, die absolut unnötig sind. Und damit ich nicht platze, muss ich Euch jetzt schreiben.

Im Leben gehen Freundschaften auseinander. Das haben wir alle schon hinter uns. Manchmal ist es sehr schade, manchmal ist es gut so. Und manchmal kommt einem einfach das Leben dazwischen. In jedem Fall tragen IMMER alle Beteiligten dazu bei. Nicht bösartig, vielleicht nicht mal bewusst, aber zu einer Freundschaft gehören zwei und zu deren Ende eben genauso. 



Es ist gut, wenn man das im Leben lernen darf und begreift. Ich freue mich über jede Freundschaft. Und wenn sie denn zu Ende ist, dann hat das auch einen Grund. Immer. Die Erinnerungen bleiben.

Wie viel schneller geht so etwas da noch im Kindes- und Jugendalter? Die Beziehungsstrukturen sind da ja noch viel weniger fest; da ist ein Freundschaftsanfang oder -ende doch schon mit jeder neuen Sportart, die man probiert, möglich. Mit jedem Klassenwechsel, schon fast mit der neuen Sitzordnung. Wer das als Freunde alles zusammen geschafft hat, den kann dann allerdings im Leben meist nichts mehr trennen. Doch bis dahin ist es ein langer Weg.

Aber ist es nicht okay, wenn sich Kinder anders orientieren? Wenn sie merken, dass der Grundschulfreund einem auf der weiterführenden Schule nicht mehr gut tut? Wenn man merkt, dass er einen runterzieht und man sich in seiner Gegenwart schlecht fühlt? Meinem Sohn ist es so ergangen. Und nach vielen Gesprächen, nach dem Abwägen seiner Gefühle und denen seines Freundes, nach vielen Begebenheiten, in denen er traurig war, nach Telefonaten mit den Eltern, hat er sich schweren Herzens entschlossen, diese Freundschaft zu beenden. 

Ich finde, es war ein mutiger Schritt. Er hat mir Wochen vorher schon unendlich leid getan, hat mit sich gerungen, wollte Bewährtes nicht aufgeben. Letztendlich hat er es aber doch getan. Ist nach den Ferien in die Schule gegangen und musste quasi von vorn anfangen. Musste sich anderen Kindern anschließen, neue Kontakte knüpfen, sich in bestehende Verbindungen einbringen. Ein nicht ganz einfacher Weg. Heute ist er glücklich, dass er es gewagt hat. Alles ist gut. Das ganze Thema ist zwei Jahre her.

Er hat gelernt, was Freundschaft sein kann und was Freundschaft nicht sein darf. Dass Freunde füreinander da sein sollen und dass es sich gut anfühlen muss. Dass man als Freund da ist, auch wenn man nicht da ist, dass das Gefühl schon hilft, sich zu haben. Verlässlichkeit, Fröhlichkeit. Spaß. Gute Gedanken. Gute Gefühle. Streit und Versöhnung. Gegenseitigkeit.



Und auch, dass es sich lohnt, für sein Glück zu kämpfen. Dass man sich selbst aber auch ruhig mal wichtig nehmen darf. Dass man, wenn man es sich nicht leicht macht und alles überlegt hat,  eine Freundschaft auch beenden kann und darf. Dass es besser ist, einen Neustart zu wagen, als sich permanent runterziehen zu lassen. Und so hat das Ende dieser Freundschaft, neben vielen schönen und lustigen Erinnerungen, auch noch einen Sinn für ihn. 

Natürlich haben wir ihn damals begleitet, denn "die regeln das schon unter sich" funktioniert für mich nur sehr bedingt.  Nur wer gelernt hat, und sicher in seinem Verhalten ist, kann etwas allein regeln. Und dazu sind auch 10-, 11- und 12jährige oft noch etwas jung. Das fällt ja vielen Erwachsenen noch schwer.

Und wenn wir selbst solche Erfahrungen schon gemacht haben, können wir unsere Kinder in solchen Situationen auch gut begleiten. Sie trösten, sie ermutigen, ihnen aber auch beibringen, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Denn das finde ich unheimlich wichtig. Die Schuld immer woanders zu suchen ist sehr leicht. Hilft im Leben aber nicht weiter. 

Wie handle  ich, wie denke ich, was äußere ich. Bin ich fair, bin ich ehrlich? Habe ich Fehler gemacht?  Und nur dann, wenn man wirklich ehrlich zu sich selbst ist, kann man das auch zu seinen Mitmenschen sein. Das ist manchmal vielleicht nicht angenehm und echt schwierig, denn auch ich finde mich natürlich lieber toll als doof. 

Aber  wenn wir alle ehrlich zu uns und zueinander wären, auch mal über unseren eigenen Schatten springen würden, verzeihen könnten und gelassen wären. Nicht immer gleich Böses vom Anderen denken würden, sondern ihm vielleicht auch einfach mal nur weniger Gedanken unterstellen würden. Nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch alles Grau dazwischen sehen würden, uns von Zeit zu Zeit ernst nehmen würden, um dann aber auch wieder herzhaft über uns selbst zu lachen, dann haben wir doch alle Voraussetzungen, um im Leben ein gelassener Freund zu sein und auch einen zu bekommen.

Lasst uns versuchen, dass an unsere Kinder weiterzugeben, damit sie Kraft und Glück aus einer Freundschaft ziehen können und Positiv von Negativ zu unterscheiden wissen. Damit sie jeder zwischenmenschlichen Situation offen entgegentreten können und nicht hintenrum agieren müssen, um sich auszudrücken. Und dass sie dann aber auch die Kraft haben, eine Beziehung zu beenden, wenn es sein muss.

Liebe Grüße von
Sandra

5 Kommentare:

  1. Liebste Sandra! Das hast Du toll geschrieben. Und ich finde es super, dass Dein Sohn mit Deiner Hilfe diesen mutigen Schritt gewagt hat! Ich hatte eine Freundin, die ich in meiner Ausbildung kennengelernt habe. Wir waren über Jahre befreundet, obwohl wir nicht so wirklich zueinander passten. Dann bekamen wir Kinder. Und sie war total überfordert nach der Geburt des Zweiten, dass sie ihren Großen weil er abends immer wieder rauskam im Schlafi unter die kalte Dusche gestellt hat! Helfen lassen wollte sie sich aber auch nicht. Da habe ich damals auch den Kontakt abgebrochen. Ich musste erst über 30 werden, um richtig echte liebe Freundinnen zu finden. Freundschaft sollte sich immer gut anfühlen, auch wenn man mal uneins ist. Alles andere braucht kein Mensch. Wie schön, wenn Dein Sohn das jetzt schon so erkannt und danach gehandelt hat. Ich finde das sehr mutig und auch soooo richtig! Liebste Grüße, Rieke

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  2. Ich finde Dich mutig, ich finde Deinen Sohn mutig und ich bin mir sicher, dass diese Geschichte eine Lösung finden wird, mit der Du sehr zufrieden sein wirst. Ich drück Dich. Svenja

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  3. "In the end everything will be okay. If it's not okay, it's not the end". Und genau so wird es sein liebe Sandra. Für Dich, für Deinen Sohn und für Euren Seelenfrieden! Ein toll geschriebener Artikel, der zum Nachdenken anregt!

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  4. "In the end, everything will be okay. If it's not okay, it's not the end."

    Liebe Sandra,
    ich danke Dir für diese wunderbaren Worte, die doch sehr zum Nachdenken anregen. Und ich wünsche Dir, Deinem Sohn und Euch als Familie, dass sich Euer "okay" bald einstellt!

    Alles Liebe
    sue

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  5. Liebe Sandra,
    auf diesen Artikel habe ich ja nur gewartet! Jede/r von uns hat solche Situationen mit den Kindern schon erlebt "Der ... war heute total doof zu mir - ich spiele nicht mehr mit ihm" ist schon lange vorbei. Unsere Kinder werden zu Jugendlichen und diese entwickeln sich nicht gleichermaßen schnell. Manchmal stört die unterschiedliche Entwicklung auch die Freundschaft und wenn sich gar nichts mehr richtig anfühlt, dann muss man es beenden. Allzu oft erlebe ich, dass lang gehegte Freundschaften im pubertären Alter auseinander gehen. So ist es bei unserem Sohn derzeit auch. Es gibt eben auch manche, mit denen kann er nichts mehr anfangen, denn die sind ja noch zu sehr verspielt oder zu obercool - eine Weile geht das noch gut, dann ist das Interesse verloren. Beispiel: "Mama, der raucht jetzt - mit 13 Jahren. Damit will ich nichts zu tun haben. Ich habe ihm gesagt, er soll damit aufhören - es ist uncool, aber er meint, ich solle lieber anfangen..." Da tun sich schonmal Abgründe auf und es macht auch ihn traurig. Da die richtigen Worte zu finden, ist nicht immer leicht. Gut, dass dein Sohn so offen ist und die Situation mit dir bespricht!
    Ich finde es wundervoll, wie gut du deine Kinder anleitest und ihnen mögliche Wege aufzeigst. Mit deiner Unterstützung werden sie den richtigen Weg finden. Lieben Dank für diesen tollen Post!
    Alles Liebe, Deine Stephie

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